Nasunogahara: Eine fortbestehende Erinnerung an die Meiji Zeit
Während man durch die langen Zedernweg geht, eröffnet sich plötzlich der Blick auf ein Gebäude unter klarem blauem Himmel. Das weiße Landhaus im westlichen Stil ist zusammengesetzt aus einem Hallenbau mit einem zentralen Aussichtsturm und zwei terrassierten Flügeln, die sich nach beiden Seiten erstrecken. Eine nähere Betrachtung zeigt eine weißdekorierte Fassade, Schiefer in Efeuform und die einzigartigen Konturen eines Lichtfensters, welches vom Dach aus strahlt. Dieses Gebäude, das aussieht als entstamme es einem Film mit einer adeligen Frau die einen Sonnenschirm trägt, ist die frühere Villa des Viscount Aoki Shuzo, Aussenminister der Meiji Regierung. Und dies ist nur eine der vielen aufwändigen und ausgedehnten Villen, welche entlang der nördlichen Ränder der japanischen Kanto region verteilt sind, unbewusst des Lärms der sie umgebenden Städte.
Es gab eine Zeit während der Meiji und Showa Ären, als Nasunogahara, Japans größter Schwemmkegel in der nördlichen Präfektur Tochigi, voll war mit großflächigen Farmen. Die verbleibenden Villen sind wertvolle Zeitzeugen der Vergangenheit dieser Region. Die Menschen, die diese Farmen erschufen, waren ältere Staatsmänner die bei der Meiji Restauration mitgewirkt hatten und Aristokraten mit wichtigen Posten in der Meiji Regierung: Der sogenannte “Adel”. Und hinter der Entstehung dieser Farmen standen bestimmte Maßnahmen, welche die Meiji Regierung vorantrieb.
Urbarmachung eines ausgedehnten Brachlandes – Die Gründung der Adelsfarmen
Nur 150km von der Hauptstadt Tokyo entfernt, war dieses Gebiet unbewohnbares Brachland bis zum Begin der Meiji Zeit. Die Gesamtfläche von Nasunogahara beträgt ca. 40 000 Hektar. Aufgrund der großen Ansammlung von Sediment und Vulkanstein um das Mittelstück des Schwammkegels versinkt das Wasser der Flüsse Sabigawa und Kumagawa, welche durch diese Region fließen, in der Erde. Zurück bleibt nur ein trockenes Flußbett auf einer Strecke von beinahe 10km. An einigen Stellen kann der Sabigawa sogar mit dem Auto überquert werden. Wenn man ins steinige Flußbett herabsteigt ist es leicht eine Vorstellung von der Zeit zu gewinnen, als nicht einmal genug Wasser vorhanden war um es mit der Hand zu schöpfen.
Dieses “extreme Flachland” war jedoch zur Kultiviereung von der Regierung vorgesehen, die eine Strategie vorgesehen hatte die es neuen Industriezweigen vereinfachen sollte den westlichen Mächten stand zu halten. Zu diesem Zweck wurden Farmen, finanziert durch den Adel, in schneller Folge in den 1880er und 1890er Jahren errichtet.
Diese Bauernhöfe des Adels wendeten ein westliches Produktionssystem mit extensiver Bewirtschaftung an. Zahlreiche Anstrengungen wurden unternommen mit dem Schwerpunkt der Kultivierung, Viehzucht und Aufforstung. Kultivierung von Trauben und Weinreben wurde ebenfalls von einem frühen Zeitpunkt an betrieben. Die Weinproduktion hatte bereits begonnen im Jahre 1884, und zu diesem Zeitpunkt wurde Wein am Tisch der Bauern serviert. So wie der “Rokumei-kan Pavilion” in der Hauptstadt die Europäisierungsstrategie symbolisierte, waren die Farmen ein Übungsfeld für die Einführung westlicher Kultur in die Aussenposten. Oder vielleicht rührte das Vorgehen der Adeligen her aus ihrer Bewunderung für den Lebensstil der europäischen Aristokratie, und aus den Landsitzen, welche diesen ermöglichten, und welche sie während dem Auslandsstudium in Ihrer Jugend gesehen hatten.
Trotz der beeindruckenden Entwicklung dieser Adelsfarmen war die Urbarmachung des Brachlands keinesweige eine leichte Aufgabe. Viele Farmen wurden gerade so durch private Gelder instandgehalten, aufgebracht von ihren Besitzern ohne Rücksicht auf Wirtschaftlichkeit. Der Grund dafür war nicht nur, dass sie determiniert waren eine neue Nation zu gründen, sondern mehr als alles andere hatten sie auch eine tiefe Verbundenheit zum Land. Viele Farmbesitzer ließen sich freiwillig hier begraben, und viele andere sind in einem Schrein verwahrt der ihren Namen trägt. Angetrieben durch ihre Hingabe begann Nasunogahara sich allmählich zu verwandeln.
Landschaften erzeugt durch die Höfe des Adels
Eine der berühmtesten Großraumfarmen des Adels war die “Senbonmatsu Farm”, gegründet durch den Prinzen Matsukata Masayoshi, welcher wichtige Posten innehatte wie etwa den des Premierministers und Finanzministers. Matsutaka war überzeugt, dass extensive Bewirtschaftung im westlichen Stil die optimale Methode war um Land mit unzureichender Wasserversorgung zu bewirtschaften. Er führte Gerätschaften im westlichen Stil ein um ein enormes Stück Land zu kultivieren, welches zeitweise bis zu 1600 Hektar betrug. Die heutige Senbonmatsu Farm trägt immernoch Spuren der Vergangenheit und beinhaltet eine große Weide, Futterfarm und einen Tieflandwald mit einer Gesamtfläche von 800 Hektar. Die Villa auf dem Anwesen des Hofs ist ein zweistöckiges Gebäude mit einem glasbedeckten Sonnendach auf der Südseite. Die Front des Hauses ist im ersten Stock mit Oya-ishi Steinen dekoriert und erzeugt beim Betrachter den Eindruck eines massiven, schweren Steinhauses.
Der Adel, der Farmen in einer einst unbewohnbaren Wildnis gründete, erzeugte auch “Städte”, welche Menschen in die Region zogen. Die Macht und Autorität zogen Eisenbahnen und Landstraßen an, welche zum Aussenposten führten, und das Farmland wurde mit Präzision neu ausgerichtet um neue Siedler, welche bei der Urbarmachung halfen, miteinzubeziehen.
Im Jahr 1885 wurde der Nasu Kanal geöffnet um die Versorgung mit Wasser, welches unabdingbar für die Entwicklung war, zu gewährleisten. Das Wasser aus dem Fluß wird aufgeteilt in vier Routen und bewegt sich durch Nasunogahara um das Land fruchtbar zu machen. Flußabwärts befand sich immer eine Farm des Adels. Von dort aus teilte sich der Strom wie Kapillare, und versorgt noch heute die einst urbar gemachten Reisfelder mit Wasser.
Vom “Traum des Adels” zum “Molkerei Imperium”
Die Urbarmachung, welche mit der Gründung der Adelshöfe in der Meiji Zeit began, wurde während der Showa Zeit fortgeführt, bis sie nach dem Krieg an Pioniergruppen übertragen wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Einsatzgebiet in hügelige Regionen verlagert, welches zuvor als unkultivierbar eingestuft worden war. Militärreservate und Nationalwälder wurden errichtet und das unkultivierte Gelände von Nasunogahara stückweise eliminiert.
Seit der Einführung der Viehzucht während der Meiji Ära hatte sich das Haupt-Hoftier vom Schaf gewandelt zur Milchkuh. Und mit technologischer Innovation und Verbesserungen der Produktivität, steigerten sich die Dimensionen der Bauernhöfe. In kurzer Zeit wuchs die Region zu einer der größten Weideregionen der Nation, und zum größten Poduzenten von Milch auf Japans Hauptinsel.
Fährt man entlang der Präfekturstraße welche durch Nasunogahara verläuft, kann man einen Panoramaausblick erleben der charakteristisch ist für Schwemmkegel: Gründe Weiden und Tieflandwälder auf einer geraden Ebene, mit den majestätischen Formen der Nasu Bergkette im Hintergrund. Es gibt keine Spur mehr des einst brachen Lands. Dies ist eine Landschaft die erschaffen wurde durch die Geschichte der Urbarmachung von Nasunogahara, welche nahtlos seit der Meiji Zeit weitergeführt wurde. Eine stattliches Landschaftsbild, welches sich unverwechselbar abhebt von den üblichen ländlichen Regionen Japans.
Besucher können die Schönheit der Jahreszeiten erleben, sich in die Natur begeben und die Früchte der Erde kosten. Die Villen, welche verteilt sind über die Region, eingehüllt in eine andächtige Stille, erzählen uns von der großen Bewunderung europäischer Kultur ihrer ehemaligen Besitzer und ihrem Ehrgeiz eine moderne Nation zu erschaffen.
Ein Ort, der seine Besucher Willkommen heißt mit einer sanften Hochlandbrise und der eindrucksvollen Geschichte des Meiji Adels. Das ist Nasunogahara.